ESF

„Der TOA, auch bezeichnet als Mediation im Strafrecht, stellt eine alternative Maßnahme zur Konfliktregulierung im Strafrecht, jedoch nicht zum Strafrecht selbst, da. (vgl. Däubler-Gmelin, 1999). Es ist ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren zwischen den beteiligten Tätern und Opfern einer Straftat. Mit Hilfe eines allparteilichen Dritten, (MediatorIn für Strafrecht) werden alle entstandenen Probleme, Belastungen und Konflikte besprochen und die Schadenswiedergutmachung reguliert und kontrolliert. Täter und Opfer nehmen freiwillig am Verfahren teil, um den sozialen Frieden wiederherzustellen, der durch eine Straftat gestört ist. Im Mittelpunkt eines Täter-Opfer-Ausgleichs stehen die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse des Opfers. (vgl. Bundesfachstandards für den TOA in Bundesarbeitsgemeinschaft TOA).


Der Täter-Opfer-Ausgleich hat sich als eine mögliche Form der Reaktion auf Straftaten bewährt und ist aus dem strafrechtlichen Sanktionssystem nicht mehr wegzudenken.


Im Gegensatz zum traditionellen Strafverfahren bietet der TOA andere methodische und emotionale Möglichkeiten, mit denen sich Täter und Opfer am Bewältigungs-und Bewertungsprozess einer Straftat direkt beteiligen können. Im Ergebnis können für beide Seiten Lösungen erarbeitet werden, die von ihnen als ausgleichende Gerechtigkeit erlebt werden.“

 

Die Entwicklung des Projektes Täter- Opfer- Ausgleich beim Landesverband

1993 initiierte der Landesverband den Aufbau eines Projektes zum außergerichtlichen Tatausgleich. Das Ziel bestand darin, ein flächendeckendes Angebot für die BürgerInnen und für Beamte an den Gerichtsstandorten vorzuhalten.


Mit 13 Standorten bei freien Trägern und 3 Standorten des Sozialen Dienstes organisiert der Landesverband seit 1994/1995 die Durchführung des Täter – Opfer – Ausgleichs landesweit. Das Ministerium der Justiz finanziert die Projektarbeit im Erwachsenenbereich, sowie im Jugendbereich. Die Fachaufsicht wurde im Rahmen der Projektförderung an den Landeverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e.V. übergeben.

 

Die Projektentwicklung erfolgte in 5 Phasen.

 

1.Phase
An den Standorten der Landgerichte Stendal, Dessau, Magdeburg und Halle fanden Beratungen statt, in denen MitarbeiterInnen von freien Trägern, die mit Gefährdeten, Inhaftierten oder Haftentlassenen arbeiteten einbezogen waren. TeilnehmerInnen dieser Beratungen waren MitarbeiterInnen der Bewährungs-und Gerichtshilfe, Opferberatung der Jugendgerichtshilfe und des Jugendamtes, StaatsanwältInnen, RichterInnen und Abgeordnete der Rechts-und Sozialausschüsse des Landtages, deren Wahlkreise sich in der der Region befanden. In diesen Beratungen wurde sehr umfangreich über den Inhalt und die Zielstellungen des Projektes informiert. Es wurde dafür geworben, dass sich Menschen aus den eingeladenen Berufsgruppen zur TOA – KonfliktschlichterIn ausbilden ließen. Anwesende JugendgerichtshelferInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen wurden gebeten, Fälle den Projekten zuzuweisen.

 

2.Phase
Im Zeitraum von 1993 bis 1995 wurden KonfliktschlichterInnen über das TOA – Servicebüro der Deutschen Bewährungshilfe Bonn ausgebildet. Die finanziellen Mittel für die Ausbildung und den Projektaufbau vor Ort stellte das Ministerium der Justiz zur Verfügung.

 

3.Phase
1994 konnte mit den ersten Fallbearbeitungen im Rahmen der Ausbildung begonnen werden. Dieser Prozess wurde durch monatliche Beratungen der ProjektmitarbeiterInnen beim Landesverband begleitet. Offene Fragen oder Probleme, wie den datenschutz-rechtliche Regelungen, auf die sich StaatsanwältInnen beriefen, um die mangelnde Zuweisung in die Projekte zu begründen, wurden mit den dafür zuständigen Einrichtungen geklärt. Dem Wunsch der SchlichterInnen, von Beginn an mit einheitlichen Dokumenten die Durchführung der Projektarbeit zu gestalten, konnte mit der Erarbeitung von Einladungen, Dokumentationen, Abschlussberichten, gemeinsamer Statistik entsprochen werden. In der praktischen Ausübung der Konfliktschlichtung wurden auch Ausbildungsmängel deutlich. So entwickelte sich ein regelmäßiges Fortbildungsangebot, das dem Qualifizierungsbedarf und dem Wunsch nach Fachaustausch der PraktikerInnen entsprach.

 

4.Phase
1998 bis 2001 wurden TOA - Regionalgruppen aufgebaut, die Supervision, Fallbesprechungen und Dienstberatungen mit regionalen Themen durchführten. Die Beratungen auf Landesebene wurden auf alle zwei Monate reduziert. Ausgebaut wurde der Bereich der Aus-, Weiter- und Fortbildung.

 

5.Phase
Seit 2005 treffen sich die TOA – SchlichterInnen einmal im Quartal auf Landesebene. Die Beratungen dienen dem Fachaustausch, der Auswertung der Quartalsstatistik, der Besprechung von Wünschen zu Fachangeboten und Weiterbildungen, einschließlich der Teilnahme an bundesweiten Veranstaltungen und deren Auswertungen.


Seit dem Bestehen des Projektes werden die Arbeitsergebnisse statistisch erfasst und zu einer Landesstatistik zusammengefasst.

 

Rechtsgrundlage

Im Land Sachsen-Anhalt besteht die Möglichkeit der Zuweisung zum TOA flächendeckend, sowohl für jugendliche als auch für erwachsene Straftäter.


In diesem Zusammenhang wird auf die gesetzlichen Grundlagen zur Durchführung eines TOA für jugendliche, heranwachsende und erwachsene Straftäter im TOA hingewiesen.

 

Jugendliche


§ 45 Abs. 2 JGG (Abgesehen von der Verfolgung)
Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

 

§ 45 Abs. 3
 Einstellung des Verfahrens nach Weisungen oder Auflagen durch den Richter.

 

§ 47 Abs. 1 Nr. 2/3. JGG Einstellung des Verfahrens durch den Richter nach Anklage
Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn (…) eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch ein Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist.


Der Richter kann dem Jugendlichen/ Heranwachsenden auch eine Weisung auferlegen, sich um einen Ausgleich mit dem Verletzten zu bemühen (§ 10 Abs. 1 3 Nr. 7 JGG).

 

§ 10 Abs. 1 JGG
Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich).

 

Heranwachsende
Bei Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende (§ 105 JGG) sind die für die Jugendlichen geltenden Vorschriften auch bei Heranwachsenden anwendbar (§ 109 JGG); TOA ist also auch bei Heranwachsenden durch Anwendung des Jugendstrafrechts (im Einzelfall) möglich. „Gleichzeitig ist immer, unabhängig vom Delikt und der beschuldigten Person, abzuwägen, inwieweit es dem Opfer und seinem Wiedergutmachungsanspruch dient, ihm die Möglichkeit des TOAs anzubieten.“

 

Erwachsene


§ 153 a Abs.1 Nr.5 StPO
Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. (…) Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht, sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem/der Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine/ihre Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutzumachen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben.


§46 a StGB
Es regelt die materielle Wiedergutmachung durch den Täter im allgemeinen Strafrecht. Mit der Einführung verband der Gesetzgeber die Hoffnung, der TOA könnte eine umfassendere Bedeutung in der praktischen Anwendung des Strafrechts erlangen (vgl. hierzu Bals, 2010, S. 8) § 46 a StGB „Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung“ ist ein neuer Weg bei der Wahl der strafrechtlichen Rechtsfolgen. (vgl. hierzu Dölling, 1998, S. 15). Es wird unterschieden zwischen dem §46 a Nr. 2 StGB


§ 46 a Nr. 1 StGB zielt vor allem auf die Wiedergutmachung der immateriellen Folgen der Straftat. Der Täter muss bemüht sein, „einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen“ und ernsthaft die Wiedergutmachung seiner Tat(en) durch Ausgleichsbemühungen anstreben.


§ 46 a Nr. 2 StGB orientiert sich auf die Schadenswiedergutmachung im materiellen Sinn, also auf die finanzielle Entschädigung des Opfers. Das Opfer muss „ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt“ werden. Die Art der Schadensregulierung legen beide Parteien im gegenseitigen Gespräch fest. Dabei muss der Täter über die erforderlichen Mittel tatsächlich verfügen, da eine Zusicherung des Ausgleichs nicht ausreichend ist. Die zu erbringende Leistung sollte für den Täter eine persönliche Anstrengung bzw. einen Verzicht voraussetzen, damit Missbrauch durch wohlhabende Täter entfällt. Sollte keine Einigung erzielt werden, sind die Voraussetzungen des Nr. 2 nicht erfüllt.


Reicht laut Ansicht der Richter der TOA nicht zur Bestrafung aus, was vorwiegend bei Verbrechenstatbeständen der Fall ist, dann findet der verminderte Strafrahmen laut §49 (2) StGB Anwendung und der TOA kann als Milderungsgrund berücksichtigt werden. Der § 46 a StGB enthält im Wortlaut keine deliktspezifischen Einschränkungen im Anwendungsbereich, wodurch der dem TOA großflächige Anwendungsmöglichkeiten bieten könnte. Er gilt für Vergehen und Verbrechen, auch für schwere Gewalt- und Sexualdelikte. Zum Ermessensspielraum der Staatsanwälte schreibt Dölling: „Wenn die Rechtsfolgen des § 46 a StGB auf der Tatbestandsseite zu bejahen sind und sich beim Rechtsfolgenermessen keine Strafzweckeinwände ergeben, so ist eine Anwendung in allen Verfahrensschritten sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Gericht zu prüfen. (…) Nach dem Grundgedanken des § 46 a StGB, Konflikte möglichst konstruktiv und frühzeitig im Strafverfahren zu erledigen und so die Wiederherstellung des Rechtsfriedens zu erreichen, sollte die Staatsanwaltschaft beim Täter-Opfer-Ausgleich diesen Weg immer zunächst prüfen und in klaren Fällen auch beschreiten.“ (vgl. Dölling, 1998, S. 60). Das bedeutet, wenn die Fallzuweisungskriterien (vgl. TOA-Fachstandards TOA-Servicebüro Bonn) für einen TOA gegeben sind und keine anderweitigen Einwände bestehen, ist das Verfahren den TOA-Schlichtungsstellen zuzuweisen. Grundsätzlich ist der TOA in jedem Verfahrensstadium und in verschiedenen Verfahrensarten anwendbar, so auch in einem beschleunigten Verfahren. Es ist auch hier im Einzelfall durch die Staats- und Amtsanwälte zu prüfen, ob ein TOA beim vorliegenden Delikt in Frage käme. (vgl. Bals u.a., 2005).


Die prozessualen Regelungen
Aufgrund der zurückhaltenden Anwendung wurde der § 46 a StGB im Jahre 1999 um die Paragraphen 153 a (1) S.2 sowie 155 a, 155 b erweitert. Der § 153 a (1) S.2 Nr. 5 StPO beschreibt speziell die Möglichkeit des Beschuldigten, in einen TOA einzuwilligen. Dies ist vor allem für die Bearbeitung im Vorverfahren von Bedeutung. Hierdurch soll die Staatsanwaltschaft angehalten werden, zu prüfen, ob ein TOA als Voraussetzung für eine Verfahrenseinstellung bzw. als Milderungsgrund in Betracht kommt. Das Verfahren kann demzufolge gem. § 153 StPO eingestellt werden, wenn die Auflagen vom Beschuldigten erfüllt werden. (vgl. Bals u.a., 2005). §153 b StPO verweist i.V.m. § 46 a StGB auf die Möglichkeit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Gericht von Strafe absehen kann. Die Staatsanwaltschaft kann nach Absprache mit dem für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichtes das Verfahren einstellen.


Gem. § 153 a (2) StPO kann auch das Gericht nach Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft das Verfahren dem TOA zuweisen. In diesem Fall kann das Verfahren gem. § 153 b (2) StPO „bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten“ eingestellt werden. Nach erfolgreicher Durchführung des TOA gem. §§ 153 (1), 153 a (1) Nr. 5, 153 b (1) StPO i.V.m. §§ 49 (1), 46 (2) StGB bzw. die Auferlegung weiterer Auflagen. Ist der TOA als gescheitert anzusehen, wird im Strafverfahren durch den Staatsanwalt Anklage erhoben und eine Gerichtsverhandlung eingeleitet. (vgl. Bals u.a., 2005)

 

Im  Land Sachsen-Anhalt bieten nachfolgend aufgeführte freie Träger den TOA an:

 

  • Cornelius-Werk GmbH Burg
  • “Neue Wege“  e.V. Dessau-Roßlau
  • Jugendförderungszentrum Gardelegen e.V.
  • Verein „Hoffnung“ für Straffälligen– und Bewährungshilfe Halberstadt e.V.
  • Verband für Straffälligenbetreuung und Bewährungshilfe e.V. Magdeburg
  • Internationaler Bund e.V. Naumburg
  • „Rückenwind e.V.“ Schönebeck
  • Sozialzentrum Bode e.V. Thale
  • Reso-Witt e.V. Wittenberg

 

Außer den freien Trägern wird auch der Soziale Dienst der Justiz im TOA tätig. Dies erfolgt unter der Voraussetzung, dass an einem Standort kein freier Träger vorhanden ist, der den TOA anbietet. Außerdem wird der Soziale Dienst der Justiz ergänzend zu den freien Trägern in diesen Regionen tätig, wenn die Bedarfssituation dies erfordert. Das heißt wenn die vorhandenen Arbeitskapazitäten der Freien Träger eine Fallbearbeitung nicht mehr ermöglichen.

 

Nachfolgend aufgeführte Soziale Dienste der Justiz bieten einen TOA an:

  • Sozialer Dienst der Justiz Halle
  • Sozialer Dienst der Justiz Magdeburg
  • Sozialer Dienst der Justiz Stendal

 

Literaturnachweis:
Göttke, D. (2017): „Der Täter-Opfer-Ausgleich in Sachsen-Anhalt. Umsetzung im TOA-Landesprojekt beim Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e.V.“